697. Jesu, allerliebster bruder

1 Jesu, allerliebster bruder,
Ders am besten mit mir meynt,
Du mien anker, mast und ruder,
Und mein treuer herzens-freund,
Der du, ehe wir geboren,
Uns zu deinem volk erkoren,
Auch mich armen erden-gast
Dir zur lieb ersehen hast:

2 Du bist ohne falsch und tücke,
Dein herz weiß von keiner list;
Aber wenn ich nur erblicke,
Was hier auf der erden ist,
Find ich alles voller lügen:
Wer am besten kan betrügen,
Wer am schönsten heucheln kan,
Ist der allerbeste mann.

3 Ach! wie untreu und verlogen
Ist die liebe dieser welt!
Ist sie jemand wohl gewogen,
Währts nicht Länger als sein geld.
Wenn das glück uns scheint und grünet,
Sind wir schön und hübsch bedienet;
Kommt ein wenig ungestüm,
Kehrt sich alle freundschaft üm.

4 Treib, Herr, von mir, und verhüte
Solchen unbeständ'gen sinn:
Wenn ich aber mein gemüthe,
Weil ich auch ein mensche bin,
Schon mit diesem koth besprenget,
Und der falschheit nachgebänget;
So erkenn ich meine schuld,
Bitt um gnad und um geduld.

5 Laß mir ja nicht widerfahren,
Was du, Herr, zur straf und last
Denen, die mit falschen waaren
Handeln, angedräuet hast,
Da du sprichst, du wollest scheuen,
Und als unflat von dir speyen
Aller heuchler falschen muth,
Der guts vorgiebt, und nicht thut.

6 Gib du mir ein treues herze
Gegen alle meine freund,
Auch dann, wenn mit creutz und schmerze
Sie von dir beleget seynd,
Daß ich mich nicht ihrer schäme,
Sondern mich nach dir bequeme,
Der du, da wir arm und bloß,
Uns gesetzt in denen schooß.

7 Gib mir auch nach deinem willen,
Einen freund, in dessen treu
Ich mein herze möge stillen,
Da mein mund sich, ohne scheu,
Oeffnen und erklären möge,
Da ich alles abe lege,
Nach der maaß, daß mir genügt,
Was mir auf dem herzen liegt.

8 Laß mich Davids glück erleben,
Gib mir einen Jonathan,
Der mir sein herz möge geben,
Der auch wenn nun jederman
Mir nichts gutes mehr will gönne,
Sich nicht lasse von mir trennen,
Sondern vest, im wohl und weh,
Als ein selfen bey mir steh.

9 Herr, ich bitte dich, erwehle
Mir, aus aller menschen meng
Eine fromme heil'ge seele,
Die an dir recht kleb und häng,
Auch, nach deinem sinn und Geiste,
Mir stets trost und hülfe leiste:
Trost, der in der noth besteht,
Hülfe, die von herzen geht.

10 Hab ich schwachheit und gebrechen,
Herr, so lenke meinen freund,
Mich in güte zu besprechen,
Und nicht als ein löw' und feind.
Wer mich freundlich weiß zu schlagen,
Ist, als der in freuden-tagen
Reichlich auf mein haupt mir gießt
Balsam, der am Jordan fließt.

11 O wie groß ist meine haabe!
O wie köstlich ist mein gut,
Jesu, wenn mit dieser gabe
Dein herz meinen willen thut,
Daß mich meines freundes treue
Und beständgikeit erfreue,
Wer dich fürchtet, liebt und ehrt,
Dem ist dieser schatz beschehrt.

12 Gute freunde find wie stäbe,
Da der menschen gang sich hält
Daß der schwache fuß sich habe,
Wenn der leib zu boden fällt.
Wehe dem, der nicht zum frommen
Solches stabes weiß zu kommen,
Der hat einen schweren lauf;
Wenn er fällt, wer hilft ihm auf?

13 Nun, Herr, laß dirs wohlgefallen,
Bleib mein freund bis in mein grab,
Bleib mein freund, und unter allen
Mein getreuster stärkster stab;
Wenn du dich mir wirst verbinden,
Wird sich schon ein herze finden,
Das, durch deinen geist gerührt,
Mir was gutes gönnen wird.

Text Information
First Line: Jesu, allerliebster bruder
Language: German
Publication Date: 1826
Topic: Zugabe; Miscellaneous; Pilgrim Songs (1 more...)
Notes: Mel. Alle menschen müssen g.
Tune Information
(No tune information)



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