164. Solt ich meinem Gott nicht singen?

1 Solt ich meinem Gott nicht singen?
Solt ich ihm nicht dankbar seyn?
Denn ich seh in allen dingen,
Wie so gut ers mit mir meyn'.
Ists doch nichts als lauter lieben,
Das sein treues herze regt
Das ohn ende hebt und trägt
Die in seinem dinest sich siben.
Alles ding währt seine zeit,
Gottes lieb in ewigkeit.

2 Wie ein adler sein gefieder
Ueber seine jungen streckt:
So hat auch hin und wieder
Mich des Höchsten arm bedeckt,
Also bald im mutterleibe,
Da er mir mein wesen gab,
Uns das leben, das ich hab,
Und noch diese stunde treibe,
Alles ding währt seine zeit,
Gottes lieb in ewigkeit.

3 Sein Sohn ist ihm nicht zu theuer,
Nein! Er giebt ihm für mich hin,
Daß er mich vom ew'gen feuer
Durch sein theures blut gewinn.
O du unergründter brunnen;
Wie will doch mein schwacher geist,
Ob er sich gleich hoch befleißt,
Deine tieff' ergründen können?
Alles ding währt seine zeit,
Gottes lieb in ewigkeit.

4 Seinen Geist, den edlen Führer,
Giebt er mir in seinem wort,
Daß er werde mein regierer
Durch die welt zur himmels-pfort,
Daß er mir mein herz erfülle
Mit dem hellen glaubenslicht,
Das des todes macht zerbricht,
Und die hölle selbst macht stille.
Alles ding währt seine zeit:
Gottes lieb in ewigkeit.

5 Meiner seelen wohlergehen
Hat er ja recht wohl bedacht:
Will dem leibe noth zustehen,
Nimt ers gleichfalls wohl in acht:
Wenn mein können, mein vermögen
Nichts vermag, nichts helfen kan,
Kömmt mein Gott und hebet an
Seine kraft mir beyzulegen.
Alles ding währt seine zeit:
Gottes lieb in ewigkeit.

6 Himmel, erd und ihre heere
Hat er mir zum dienst bestellt,
Wo ich nur mein aug hinkehre,
Find ich was mich nährt und hält.
Thiere, kräuter und getreide
In den gründen, in der höh,
In den büschen, in der see:
Ueberall ist meine weide.
Alles ding währt seine zeit:
Gottes lieb in ewigkeit.

7 Wenn ich schlafe, wacht sein sorgen,
Und ermuntert mein gemüth,
Daß ich alle liebe morgen
Schaue neue lieb und güt.
Wäre mein Gott nicht gewesen,
Hätte mich sein angesicht
Nicht geleitet, wär ich nicht
Aus so mancher angst genesen.
Alles ding währt seine zeit:
Gottes lieb in ewigkeit.

8 Wie so manche schwere plage
Wird vom satan 'rum geführt,
Die mich doch mein lebetage
Niemals noch bisher gerührt.
Gottes engel, den er sendet,
Hat das böse, so der feind
Anzurichten war gemeint,
In die ferne weggewendet,
Alles ding währt seine zeit:
Gottes lieb in ewigkeit.

9 Wie ein vater seinem kinde
Sein herz niemals ganz entzeucht,
Ob es gleich bisweilen sünde
Thut und aus der bahne weicht:
Also hält auch mein verbrechen
Mir mein frommer Gott zu gut.
Will mein fehlen mit der ruth,
Und nicht mit dem schwerte rächen.
Alles ding währt seine zeit:
Gottes lieb in ewigkeit.

10 Seine strafen, seine schläge,
Ob sie mir gleich bitter seynd:
Dennoch, wenn ichs recht erwäge,
Sind es zeichen, daß mein freund,
Der mich liebet, mein gedenke,
Und mich von der schnöden welt,
Die mich hart gefangen hält,
Durch das creutze zu ihm lenke.
Alles ding währt seine zeit:
Gottes lieb in ewigkeit.

11 Das weiß ich fürwahr, und lasse
Mirs nicht aus dem sinne gehn,
Christen creutz hat seine masse,
Und muß endlich stille stehn.
Wenn der winter ausgeschneyet,
Tritt der schöne sommer ein:
Also wird auch nach der pein,
Wers erwarten kan, erfreuet.
Alles ding währt seine zeit:
Gott lieb in ewigkeit.

12 Weil dann weder ziel noch ende
Sich in Gottes liebe findt,
Ey so heb ich meine hände
Zu dir, Vater, als ein kind;
Bitte, wollst mir gnade geben,
Dich, aus aller meiner macht,
Zu umfangen tag und nacht,
Hier in meinem ganzen leben,
Bis ich dich nach dieser zeit,
Lob und lieb in ewigkeit.

Text Information
First Line: Solt ich meinem Gott nicht singen?
Language: German
Publication Date: 1826
Topic: Von der Liebe Gottes und Christi; The Love of God and Christ
Notes: Mel. Lasset uns den Herren
Tune Information
(No tune information)



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