162. O Jesu Christ, mein schönstes licht!

1 O Jesu Christ, mein schönstes licht!
Der du in deiner seelen
So hoch mich liebst daß ich es nicht
Aussprechen kann noch zählen.
Gib! daß mein herz dich wiederum
Mit lieben und verlangen
Mög umfangen,
Und, als dein eigenthum,
Nur einzig an dir hangen.

2 Gib, daß sonst nichts in meiner seel
Als deine liebe wohne;
Gib, daß ich deine lieb erwähl,
Als meinen schatz und krone;
Stoß alles aus, nimm alles hin,
Was mich und dich will trennen,
Und nicht gönnen,
Daß all mein muth und sinn
In deiner liebe brennen.

3 Wie freundlich, selig, süß und schön
Ist, Jesu, deine liebe:
Wenn diese steht, kan nichts entstehn,
Was meinen geist betrübe.
Drum laß nichts anders denken mich,
Nichts sehen, fühlen, hören,
Lieben, ehren,
Als deine lieb und dich,
Der du sie kannst vermehren.

4 O daß ich dieses hohe gut
Möcht ewiglich besitzen!
O daß in mir dies' edle glut
Ohn ende möchte hitzen!
Ach! hilf mir wachen tag und nacht,
Und diesen schatz bewahren
Für den schaaren,
Die wider uns mit macht
Aus satans reiche fahren.

5 Mein Heiland, du bist mir zu lieb
In noth und tod gegangen,
Und hast am creutz, als wie ein dieb
Und mörder da gehangen,
Verhöhnt, verspeit und sehr verwundt.
Ach! laß mich deine wunden
Alle stunden
Mit lieb im herzens grund
Auch ritzen und verwunden.

6 Dein blut, das dir vergossen ward,
Ist köstlich gut und reine,
Mein herz hingegen böser art,
Und hart gleich einem steine.
O laß doch deines blutes kraft
Mein hartes herze zwingen,
Wohl durchdringen,
Und diesen lebenssaft
Mir deine liebe bringen.

7 O daß mein herze offen stünd,
Und fleißig mögt auffangen
Die tröpflein bluts, die meine sünd
Im garten dir abdrangen!
Ach! daß sich meiner augen brunn
Aufthät und mit viel stöhnen
Heiße thränen
Vergösse, wie die thun,
Die sich in liebe sehnen.

8 O daß ich, wie ein kleines kind,
Mit weinen dir nachginge,
So lange, bis dein herz entzündt,
Mit armen mich umfinge,
Und deine seel in mein gemüth,
In voller, süsser liebe,
Sich erhübe,
Und also deiner güt'
Ich stets vereinigt bliebe!

9 Ach zieh, mein liebster! mich nach dir!
So lauf ich ohn verdriessen,
Ich lauf und will dich mit begier
In meinem herzen küssen;
Ich will aus deines mundes zier
Den süssen trost empfinden,
Der die sünden
Und alles unglück hier
Kan leichtlich überwinden.

10 Mein trost, mein schatz, mein licht und heil,
Mein höchstes gut und leben,
Ach nim mich auf zu deinem theil!
Dir hab ich mich ergeben!
Denn ausser dir ist lauter pein,
Ich find hier überalle,
Nichts denn galle,
Nichts kan mir tröstlich seyn,
Nichts ist das mir gefalle.

11 Du aber bist die beste ruh,
In dir ist fried und freude:
Gib, Jesu! gib, daß immerzu
Mein herz in dir sich weide,
Sey meine flamm, und brenn in mir,
Mein balsam! wollest eilen,
Lindern, heilen
Den schmerzen, der allhier
Mich seufzen macht und heilen.

12 Was ist, o schönster! das ich nicht
In deiner liebe habe?.
Sie ist mein stern, mein sonnenlicht,
Mein quell, da ich mich labe,
Mein süsser wein, mein himmels-brod
Mein kleid vor Gottes throne,
Meine krone,
Mein schutz in aller noth,
Mein haus, darin ich wohne.

13 Ach grosse lieb! wenn du entweichst,
Was hilft mir sein geboren?
Wenn du mir deine lieb entzeuchst,
Ist all mein gut verloren:
So gib, daß ich dich, meinen gast
Wohl such und bester massen
Mög umfassen,
Und wenn ich dich gefaßt,
In ewigkeit nicht lassen.

14 Du hast mich je und je geliebt,
Und auch nach dir gezogen,
Eh ich noch etwas guts geübt,
Warst du mir schon gewogen.
Ach! laß doch ferner, edler hort!
Mich diese liebe leiten,
Und begleiten,
Daß sie mir immerfort
Beysteh auf allen seiten.

15 Laß sie seyn stand, darin ich steh,
Herr! deine liebe zieren,
Und wo ich etwa irre geh
Alsbald zurechte führen;
Laß sie mich allzeit guten rath,
Und rechte werke lehren,
Steuren, wehren
Der sünd, und nach der that
Bald wieder mich bekehren.

16 Laß sie seyn meine freud im leid,
In schwachheit mein vermögen,
Und wenn ich nach vollbrachter zeit,
Mich soll zur ruhe legen,
Alsdann laß deine liebestreu,
Herr Jesu! mir beystehen,
Luft zu wehen,
Daß ich gerrost und frey
Mög in dein reich eingehen.

Text Information
First Line: O Jesu Christ, mein schönstes licht!
Language: German
Publication Date: 1826
Topic: Von der Liebe Gottes und Christi; The Love of God and Christ
Notes: Mel. Ich ruf zu dir, Herr
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